Freitag, 18. März 2011

Martin Schüller
Katerfrühstück

Tatort: Bochum

»Verdammt, warum stehen die Gläser hier noch rum?«, blaffte Marcus Wüst, als er die Kochschule im Gebäude der ehemaligen Zeche Hannover betrat. Sie waren hier vielleicht etwas weitab vom Schuss im Bochumer Norden, aber die Nähe zum Westfälischen Landesmuseum für Industriekultur garantierte ein gewisses Niveau.


Größere Kartenansicht
Es war bereits später Nachmittag und Vivian, seine Assistentin, war noch dabei, die Tafel einzudecken. Dabei hätte sie längst schon mit der Vorbereitung des Gemüses anfangen sollen.
Vivian Schneider eilte herbei, und begann, die Paletten mit den leeren Einweckgläsern in den Lagerraum zu tragen. Er würde später seinen berühmten Lammfond darin abfüllen, ohne den kaum ein Teilnehmer seiner Kochseminare nach Hause ging. Dass der Fond zu neunzig Prozent aus der Dose kam, hatte noch keiner bemerkt. Die Gewinnspanne war fantastisch.
Er sah sich unzufrieden um.
Das Edelstahl der Backöfen, Töpfe und Dampfgarer blinkte. Die schwarzen Flächen der Induktionsherde schimmerten streifenfrei. Die aufgearbeiteten Backsteinwände sorgten für rustikal-nostalgische Atmosphäre. Für die Umnutzung des Industriedenkmals hatte es eine gesunde Finanzspritze vom Land gegeben, so dass ihn der Umbau kaum einen Cent gekostet hatte.
Es gab eigentlich keinen Grund, unzufrieden zu sein, aber Marcus Wüst war von Natur aus unzufrieden.
Zwölf Leute würde die Gruppe heute Abend umfassen. Zwölf der üblichen Banausen, denen er an einem Abend die Grundlagen des guten Kochens beibringen sollte.
Immerhin bezahlten sie dafür. Und nicht zu knapp. Er lächelte höhnisch.
Vivian hatte die Gläser ins Lager geräumt und trug nun ein Tablett mit Tellern herein. Sie schien sich gefangen zu haben. Die letzten Wochen war sie am Boden zerstört gewesen, weil Groucho, ihr Kater gestorben war. Sie hatte ihn nach langem Suchen auf dem Platz vor dem Schauspielhaus gefunden. Ohne äußere Verletzungen, aber mausetot.
Er hatte Mitleid geheuchelt, so gut es ging, und heucheln konnte er ziemlich gut. Das musste er auch, denn schließlich hatte er das Tier auf dem Gewissen.
Eine Katze, mausetot – Wüst grinste böse in sich hinein. ...
weiter in: Schicht im Schacht
andere kulinarische Stories:
René Zey: Pommes blut-weiß
Uwe Voehl: Frühstück bei Marilyn

Der Autor: Martin Schüller, geboren 1960 in Haan, lebt in Köln und hat als Nachttaxifahrer die Vorder- und Rückansichten der Stadt erkundet. Sein Debüt als Krimi-Autor lieferte er mit dem Roman »Jazz«, seine Beziehung zur Musik spiegelt sich auch in »King«. Zuletzt erschienen von ihm die Oberbayern-Krimis »Tod in Garmisch« und »Die Seherin von Garmisch«.