Tatort: Datteln
Ein Sonnenstrahl schien durch den Schlitz in der Jalousie und traf Rondas Lider. Sie wälzte sich auf die andere Seite. In der Nachbarwohnung dudelte ein Radio und Wasser rauschte durch die Rohre. Türenschlagen. In dem verzweifelten Versuch noch einmal einzuschlafen, kniff Ronda die Lider zusammen. Vergeblich. Es gab kein Zurück in ihren Traum.
Da war endlich einmal ein Vater&Sohn-Wochenende, sie konnte ausschlafen, und dann weckte sie die Sonne. Ronda schnaubte, während sie barfuss in die Küche taperte, um das Kaffeewasser aufzusetzen.
Marvin war seit gestern Abend bei seinem Erzeuger. Wenigstens profitierte der Junge von der Trennung. Solange sie verheiratet gewesen waren, hatte Achim nie Zeit für den Jungen gehabt. Irgendein Verbrechen, prompt vibrierte sein Handy und weg war er. Achim, der Unentbehrliche. Achim, der Kriminalhauptkommissar.
Noch seid ihr verheiratet!, zischelte eine Stimme hinter Rondas Schläfe, in exakt dem vorwurfsvollen Tonfall, den ihre zukünftige Exschwiegermutter immer anschlug, wenn sie an Ronda herummäkelte.
Die Betonung liegt auf »noch«!, antwortete ihr Bauch, in exakt der Stimmlage, die Rondas Mutter stets anschlug, wenn sie über ihren zukünftigen Exschwiegersohn herzog.
Eben!, mischte sich Ronda in die Unterhaltung in ihrem Inneren ein. Deshalb wird er sich heute um seinen Sohn kümmern müssen und ich geh shoppen. Basta!
Beim Frühstück, das aus einer Tasse Kaffee und einer verbotenen Zigarette bestand, leistete ihr nur das Radio Gesellschaft. Kein Marvin verschüttete seinen Kakao auf dem Küchentisch oder schmierte Nutella auf das Frühstücksbrettchen, anstatt auf sein Brot. Ronda fühlte sich gleich zehn Jahre jünger und sofort ein kleines bisschen dekadent. Genau die richtige Stimmung, um sich in Recklinghausen diese niedliche Lanvin-Clutch zu kaufen, die eigentlich außerhalb ihrer finanziellen Getrennt-aber–noch-nicht-geschieden-Möglichkeiten lag. Aber wer, wenn nicht sie, sollte ihr so etwas zum Geburtstag schenken.
Ein durchdringendes Fiepen unterbrach die Morningshow und der Polizeifunk plärrte durch die Küche – das umgebaute Radio war nur eins der vielen überflüssigen Dinge, die Achim bei Frau und Kind zurückgelassen hatte.
Bankraub. Geiselnahme. Scheiße.
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Die Autorin:
Christiane Dieckerhoff, geboren 1960, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. 1997 konnte sie nach eigener Aussage ihr »Bedürfnis zu schreiben nicht mehr ignorieren« und veröffentlichte seitdem einige Kriminalstories in verschiedenen Anthologien und gemeinsam mit Heinz-Werner Jezewski »Schillers Schatten«. Zuletzt erschien von ihr der 60er-Jahre-Ruhrpottkrimi »Blütenträume«.