Mittwoch, 20. April 2011

Klaus Stickelbroeck
Rabauken, Räuber, Raue Fasern

Tatort: Schwelm

Lothar Kasubbke stand mir gegenüber und senkte den Blick.
»Das ist nicht dein Ernst?«, musste ich nachfragen.
Lothar seufzte und knetete hilflos seine neun Finger. Den kleinen Finger seiner linken Hand hatte er gar nicht weit von hier unter einer Papierrolle in der berühmten Tapetenfabrik liegen gelassen.
Überstreichbare Wandbeläge, kennen Sie bestimmt!
Vor gut fünf Jahren war das, damals, als wir beide noch dort gearbeitet haben, bevor wir mit knapp über sechzig in die Rente gegangen sind.
»Der Arzt sagt, meine Lunge ist hin. Die wird auch nicht mehr. Ich brauch dringend bessere Luft. Mit weniger Staub drin. Nordsee wäre gut. Waltraud und ich haben auf Norderney eine urige Fischerkate entdeckt. Nicht zu groß, nicht zu klein, genau das richtige. Nicht billig, das Ganze. Deshalb müssen wir hier alles verkaufen.«
»Alles«, wiederholte ich mit trockener Stimme.
Das war richtig übel. Alles schloss Kasubbkes alte Anglerhütte mit ein, in der ich schon seit über zehn Jahren wohnte. Das Häuschen war nichts Dolles, die Schwelme, die unserer Stadt im 10. Jahrhundert mal den Namen gegeben hat, gluckert nur einen Steinwurf weit durchs Grüne und ich habe hier mit dem schmucken Gärtchen und dem Goldfischteich meine Ruhe. Gerade jetzt, mitten im Frühling war das einfach herrlich. Außerdem …
Ich strich mir durchs schüttere Haar. »Lothar, ich kann hier nicht weg. Die Gerda …«
Lothar Kasubbke schnaubte. »Erich, das ist jetzt drei Jahre her, dass dir die Gerda abgehauen ist.«
Ich schüttelte ärgerlich den Kopf. Abgehauen … Drei Jahre. Aber ich konnte es ihm nicht erklären.
»Wir haben einen Käufer gefunden«, fuhr er fort. »Der will nächste Woche zum Notartermin kommen und das Geld mitbringen. Aber du hast natürlich Vorkaufsrecht, is klar.«
»Wie viel?«, fragte ich, einfach nur, um es zu wissen.
»45000 Euro kriegen wir für die Hütte samt Garten.«
Ich lachte bitter. »Oh Mann - 45000! Du weißt, was ich an Rente kriege! Wo soll das Geld denn her kommen? Vom Himmel wird es nicht fallen, Lothar.«
weiter in: Schicht im Schacht
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Der Autor:
Klaus Stickelbroeck
, geboren 1963 in Anrath, lebt in Kerken am Niederrhein und arbeitet als Polizeibeamter in Düsseldorf. Seinen ersten Kurzkrimi veröffentlichte er im Jahr 2000. Es folgte 2007 sein erster Roman »Fieses Foul«. Zuletzt erschien »Fischfutter« (2010). Gemeinsam mit den Düsseldorfer »Krimi-Cops« schrieb er außerdem die Krimis »Stückwerk« (2007) und »Teufelshaken« (2009).